Toxische Produktivität Im Studium

„Was, wenn ich versage? Was, wenn ich nicht gut genug bin? Was, wenn ich die Prüfung nicht schaffe oder mein Studium zu Fall bringe?“ – Solche Fragen waren lange zeit meine treibende Kraft im Studium. Rückblickend kann ich nicht mehr zählen, wie viele Stunden ich an meinem Schreibtisch verbracht habe. Mein Wecker klingelte extra früh, damit ich früher anfangen konnte, und ich habe tausende von Büchern ausgeliehen, um ja nichts zu verpassen. Kilometerlange Zusammenfassungen gaben mir ein Gefühl von Sicherheit. Gleichzeitig trug ich die Überzeugung in mir, dass es gut ist, so ehrgeizig und diszipliniert zu sein, schließlich tat ich es ja für meine Zukunft.
Doch dabei ignorierte ich etwas Entscheidendes – meine eigenen Grenzen.

Ich war ununterbrochen „produktiv“, toxisch produktiv. Denn am Ende ist so ein Verhalten und das Bedürfnis, immer etwas tun zu müssen, schädlich. Und dafür bin ich der lebende Beweis.

Ich möchte mit dir meine Geschichte in diesem Artikel teilen, außerdem erkläre ich, wie man die Zeichen toxischer Produktivität erkennt, welche Schritte man unternehmen kann, um aus diesem schädlichen Zyklus auszubrechen, und wie wichtig es ist, einen gesunden Umgang mit Produktivität im Studium zu entwickeln.

Du hörst lieber statt zu lesen? Hier gibt es die zugehörige Podcastfolge in meinem Podcast „Study & Grow“

Folge 1: toxische Produktivität im Studium

Podcast_Study_and_Grow_Kathi_Moldan

Überblick

Was ist toxische Produktivität?

Toxische Produktivität im Studium ist ein Phänomen, das sich durch ein ungesundes Verhalten und die stetige Einstellung auszeichnet, dass man nur wertvoll oder erfolgreich sein kann, wenn man permanent etwas dafür tut und leistet. Dieses Verhalten führt dazu, dass man hartes Arbeiten mit Erfolg gleichsetzt und annimmt, je mehr man tut, desto erfolgreicher ist man. Doch ab einem gewissen Punkt kehrt sich dieser Glaube um – man ist nicht mehr wirklich produktiv, sondern nur noch dauerhaft beschäftigt, ohne Effektivität und Effizienz.

6 Kennzeichen toxischer Produktivität im Studium

Wenn du dich fragst, ob auch du von toxischer Produktivität betroffen sein könntest, dann prüfe dich selbst auf folgende sechs Kennzeichen:

  1. Ständiges Arbeiten: Du hast das Gefühl, immer arbeiten zu müssen – auch in deiner Freizeit und bei deinen Hobbys. Du gönnst dir kaum Zeit für dich und Erholung.
  2. Schlechtes Gewissen bei Pausen: Wenn du dir doch einmal eine Pause erlaubst, hast du ein schlechtes Gewissen, weil du denkst, du würdest deine Zeit verschwenden.
  3. Vernachlässigung eigener Bedürfnisse: Du stellst deinen Wecker extra früh, kürzt deinen Schlaf, ernährst dich nicht gesund und vernachlässigst die Bewegung. Beispielsweise verzichtest du darauf, nach draußen zu gehen, weil du die Zeit lieber mit Lernen verbringst.
  4. Vernachlässigung sozialer Beziehungen: Du sagst Treffen und Termine mit Freunden und Familie ab oder nimmst erst gar nicht an ihnen teil, weil du glaubst, diese Zeit besser für universitäre Verpflichtungen nutzen zu können.
  5. Perfektionismus: Du nimmst dir sehr viel Zeit für deine Aufgaben, weil alles perfekt sein muss. Dies führt dazu, dass du Schwierigkeiten hast zu entscheiden, was wirklich wichtig ist und wo du vielleicht sinnvoll kürzen könntest.
  6. Gesundheitliche Probleme: Langfristig kann dieses Verhalten zu Erschöpfung, Burnout und sogar zu Depressionen führen.

 

Erkennst du dich in einigen dieser Punkte wieder? Dann ist es vielleicht an der Zeit, dein Verhalten zu reflektieren und zu ändern, bevor es ernsthafte Auswirkungen auf deine Gesundheit hat.

Die Folgen toxischer Produktivität im Studium

Vielleicht denkst du jetzt: „Ach, diese Phase der Überlastung ist doch nur temporär. Nach der Prüfungsphase wird alles wieder besser.“ Aber lass uns ehrlich sein: Nach den Prüfungen kommen Hausarbeiten, dann das neue Semester mit seinen Abgabefristen und schon bald die nächste Prüfungsphase. Es ist ein nicht enden wollender Zyklus.

Meine schockierende Geschichte

Ich habe mir selbst eingeredet, dass es leichter wird, je mehr ich mache – dass mein Einsatz sich in besseren Noten und später in meinem Traumjob auszahlen würde. „Noch einmal in den sauren Apfel beißen„, sagte ich mir immer wieder. Aber all diese „nur noch diesmal“-Momente addierten sich – und führten zu einem Punkt, den ich nie vergessen werde:

Ich erinnere mich noch ganz genau an den Moment, als ich plötzlich dieses seltsame dumpfe, kribbelige Gefühl in meinem Schulter-Arm-Gesichtsbereich hatte. Als ich dann mit meiner Hand in mein Gesicht fasste, registrierte meine Hand zwar den Kontakt, aber es war, als würde ich jemand Fremden ins Gesicht fassen, denn mein Gesicht spürte nichts. Es war vollkommen taub. Und in diesem Moment wurde mir schlagartig anders.

Beim Arzt wurden mehrere Untersuchungen gemacht, einschließlich Blutproben. Doch es konnte keine konkrete Ursache für meine Symptome festgestellt werden. Nach einigen Stunden ließ die Taubheit nach und ich durfte nach Hause, nichts ahnend, was ich am nächsten Tag erfahren sollte.
Den Anruf, dass ich sofort in die Praxis kommen solle, werde ich nie vergessen. Meine Blutwerte waren da, und sie waren jenseits von Gut und Böse. Die Taubheit – nochmal Glück gehabt, denn lange wäre das nicht mehr gut gegangen.

Dieses Erlebnis und die zahlreichend anschließenden Arzttermine machten mir bewusst, dass meine Lebensweise ernste Folgen hat.
Es dauerte Jahre, bis ich wieder ohne täglich Medikamente, leben konnte. Und dafür habe ich alles umgestellt. Ich habe meine gesamte Lebensführung, meine Einstellungen, mein Verhalten hinterfragt und umgestellt. Ich habe unendlich viel gelesen und gehört. Vor allem aber habe ich Hilfe angenommen, durch Ärzte, Therapeuten und Coaches.

Stress ist keine Seltenheit - die Folgen auch nicht

Meine Geschichte ist leider keine Seltenheit – Stress, z.B. durch toxische Produktivität, und seine Folgen sind ein weitverbreitetes Phänomen, das viele treffen kann. Wir alle kennen die Theorie: Stress ist schädlich für die Gesundheit. Du weißt, was gesund ist und was nicht. Du weißt, dass Ausgleich wichtig ist – die Notwendigkeit, regelmäßig an die frische Luft zu gehen, genügend Schlaf zu bekommen, sich gesund zu ernähren und auch mental Pausen einzulegen, um nicht ständig unter Strom zu stehen. Doch diese Wissenspunkte geraten oft in Vergessenheit hinter einem Berg von „Was-wenn“-Sorgen. Was, wenn ich durchfalle, keinen Job finde oder all die Mühen umsonst waren?

Diese Fragen treiben dich an, länger zu arbeiten, weniger zu schlafen – „Fünf oder sechs Stunden müssen doch reichen“, sagst du dir – und durch stressige Phasen zu gehen, als wären sie nur ein vorübergehendes Unwetter.

Doch lass dich von den Zahlen überzeugen, die für sich selbst sprechen. Laut einer Umfrage der Techniker Krankenkasse unter 1.000 Studierenden in Deutschland:

  • 68% fühlen sich aktuell oder in den letzten 12 Monaten erschöpft durch Stress.
  • Fast 60% leiden unter Kopfschmerzen.
  • Über 50% sind von Rückenschmerzen geplagt.
  • Mehr als die Hälfte berichten über Konzentrationsproblem
  • Fast die Hälfte der Befragten klagt über Schlafprobleme.

Und es endet nicht bei Schlafstörungen – viele leiden auch unter Magenproblemen und Übelkeit. Besonders alarmierend ist, dass diese Entwicklung bei Studierenden überproportional zugenommen hat. In den letzten acht Jahren hat sich die Zahl der besonders häufig gestressten Studierenden verdoppelt, während der Rest der Bevölkerung nur in geringem Maße eine Zunahme solcher Stresssymptome zeigt. Diese Statistik unterstreicht ein bedenkliches Muster: Stress ist nicht nur eine vorübergehende Herausforderung, sondern eine kontinuierliche Belastung, die ernste Auswirkungen auf das Wohlbefinden hat.
Es ist daher entscheidend, dass wir lernen, mit diesen Belastungen umzugehen und Strategien entwickeln, um einem solchen Stressniveau entgegenzuwirken – für unsere Gesundheit, unsere Leistungsfähigkeit und letztendlich für ein erfülltes Leben.

Der Grund hinter toxischer Produktivität im Studium

Warum setzt man sich all dem aus? Wenn man doch weiß was gut ist, wenn man doch weiß, welche Folgen es haben kann. Warum muss es erst zu einem so einschneidenden Ereignis kommen?
Was du verstehen musst, ist, dass hinter solchem Verhalten tief verwurzelte Denkmuster und Glaubenssätze stecken, die du versuchst mit der Produktivität zu übermalen. Doch das geht nicht. Diese Muster gehen durch deine Produktivität nicht weg. Sie finden immer neue Bereiche, sei es im Beruf oder in der Freizeit, um sich Bahn zu brechen, und am Ende steht man wieder dort, gestresst und unglücklich.

Deshalb ist es so wichtig, diese Muster früh zu erkennen und ein neues System zu etablieren. Ein System, das echte Produktivität und Regeneration miteinander in Einklang bringt.
Ein ausgeglichenes Verhältnis heißt dabei nicht 50:50, aber es ist essentiell, regelmäßig zu reflektieren:

  • Wo sind meine Grenzen?
  • Wie fühle ich mich wirklich?
  • Schaffe ich einen Ausgleich zwischen Anspannung und Entspannung?

Erkenne, dass es in deiner Hand liegt, wie du mit Stress umgehst, welche Einstellung du zu Lernen und Leistung hast und wie du deine Fähigkeiten einschätzt. Produktivität heißt auch Pausen einlegen, auf die eigenen Bedürfnisse hören, soziale Kontakte pflegen und dich selbst an die erste Stelle setzen.
Du bist eine ganzheitliche Person, nicht nur ein Bündel aus Leistung.

Mein Versprechen an dich: Mit mehr Gelassenheit, Leichtigkeit und Klarheit wirst du nicht nur bessere Leistungen erbringen – du wirst wahrscheinlich sogar weniger lernen müssen.
Und das Ergebnis? Eine bessere Gesundheit, mehr Zufriedenheit und Glück.

 

Tipps und Hintergründe dazu bekommst du hier.

Kathi Moldan Coach fuer Studenten und Schülerinnen und Schüler

Hey, ich bin Kathi!

Ich unterstütze Studierende & SchülerInnen dabei, nicht nur produktiver zu lernen, sondern dies vor allem mit mehr Gelassenheit und Zuversicht zu tun.

Erfahre, wie du durch ein gesundes Selbstvertrauen und einen gesunden Lebensstil ein glückliches (Studien-)Leben führen kannst!

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