Schluss mit Aufschieben! Die wahre Ursache von Prokrastination (und was wirklich hilft)

Du nimmst dir fest vor, frühzeitig mit einer Aufgabe zu beginnen. Doch plötzlich ist wieder die letzte Nacht vor der Deadline und du sitzt gestresst am Schreibtisch. Der Druck steigt, du bist genervt, müde – und fragst dich: Warum passiert mir das jedes Mal?!

Vielleicht hast du dir nach der letzten Prüfung oder Hausarbeit geschworen: „Nächstes Mal starte ich früher!“ Und doch sitzt du wieder da, mit dem gleichen Stress, der gleichen Panik, kurz vor knapp. Es ist ein Teufelskreis, der sich immer wiederholt. Warum ist das so? Warum fällt es uns so schwer, etwas zu tun, das wir eigentlich tun wollen – oder müssen?

Ich kenne das selbst nur zu gut. Besonders in meiner Anfangs-Studienzeit habe ich das immer wieder erlebt. Die Tage vor einer Prüfung waren geprägt von intensiver Lernzeit. Irgendwann kam dann der Moment, in dem ich dachte: „Jetzt habe ich den Überblick, jetzt läuft’s!“ Und gleichzeitig kam auch die Erkenntnis: „Genau an diesem Punkt müsste ich schon ein paar Tage früher sein, dann wäre alles viel entspannter!“ Und doch wiederholte sich das Muster. Semester für Semester. Vielleicht kennst du das auch.

Aber warum tun wir das? Warum sabotieren wir uns selbst, obwohl wir genau wissen, dass es uns schadet?

Die Antwort ist einfach – und doch revolutionär: Prokrastination hat nichts mit Disziplin oder Faulheit zu tun. Dein Gehirn trickst dich aus. Und sobald du verstehst, was wirklich dahintersteckt, kannst du diesen Mechanismus durchbrechen. Und genau das erfährst du, basierend auf wissenschaftlicher Forschung, in diesem Artikel.

Du hörst lieber statt zu lesen? Hier gibt es die zugehörige Podcastfolge in meinem Podcast „Study & Grow“

Folge vom 18.02.2025: Schluss mit Aufschieben! Die wahre Ursache von Prokrastination (und was wirklich hilft)

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Überblick

Prokrastination ist kein Zeitmanagement-Problem!

Viele denken, dass sie einfach nur eine bessere Planung brauchen oder mehr Disziplin aufbringen müssen. Vielleicht hast du das auch schon einmal gedacht: „Wenn ich mich einfach besser organisiere, dann passiert mir das nicht mehr.“ Aber genau das ist ein Trugschluss.

Studien zeigen, dass klassische Zeitmanagement-Techniken bei chronischer Prokrastination oft nicht helfen. Warum? Weil Prokrastination kein rationales Problem ist – sie wird emotional gesteuert.

Dr. Tim Pychyl, einer der führenden Prokrastinationsforscher, bringt es auf den Punkt:

👉 „Prokrastination ist keine Frage der Selbstkontrolle, sondern eine Strategie, um mit negativen Emotionen umzugehen.“

Das bedeutet: Der Schlüssel liegt nicht in besserer Planung oder mehr Disziplin, sondern in der Fähigkeit, mit unangenehmen Gefühlen umzugehen. Wenn du lernst, deine Emotionen zu regulieren, brauchst du gar nicht erst gegen das Aufschieben anzukämpfen. Der Schlüssel heißt: Selbstregulation. 

Prokrastination ist Emotionsregulation – nicht Faulheit

Was passiert wirklich, wenn du prokrastinierst?

Du entscheidest dich nicht gegen die Aufgabe, weil du faul bist. Dein Gehirn entscheidet sich dagegen, weil sie unangenehme Emotionen auslöst.

Was das konkret bedeutet, möchte ich dir anhand von ein paar Beispielen zeigen:

  • Du schiebst nicht einfach das Übungsblatt in Mathe auf – du schiebst die Unsicherheit auf, ob du die Aufgaben wirklich verstehst.

  • Du beginnst nicht mit deiner Hausarbeit – weil du Angst hast, dass diese am Ende schlecht ist und dich andere womöglich verurteilen. 

  • Du fängst nicht mit dem Lernen an – weil du denkst, dass du noch nicht „bereit“ bist oder erst alles perfekt durchdacht haben musst oder weil du nicht weißt, wo du anfangen sollst. 

➡️ Du vermeidest nicht die Aufgabe selbst – du vermeidest das Gefühl, das du mit ihr verbindest.

Typische Gefühle, die Prokrastination auslösen:

  • Angst: „Was, wenn ich scheitere?“
  • Perfektionismus: „Es muss perfekt sein, sonst ist es nichts wert.“
  • Überforderung: „Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.“
  • Langeweile: „Das Thema interessiert mich nicht.“

 

Warum macht unser Gehirn das? Warum reagiert es mit Aufschieben auf diese negativen Emotionen, anstatt diese anders zu händeln, konstruktiver zu händeln.

Dein Gehirn prokrastiniert, weil es dir einen Gefallen tun will (Mood Repair Theory)

Dein Gehirn hat eine ganz klare Priorität: Es denkt nicht langfristig – es denkt ans Jetzt. Und im Jetzt will es vor allem eines: unangenehme Emotionen vermeiden.

Das erklärt auch, warum Zeitmanagement-Techniken oft nicht funktionieren. Denn dein Problem ist nicht die Zeitplanung, sondern deine Reaktion auf unangenehme Gefühle. Sobald eine Aufgabe Stress, Unsicherheit oder Überforderung auslöst, sucht dein Gehirn nach einer schnellen Lösung – einer, die sich sofort gut anfühlt.

Dr. Tim Pychyl beschreibt dieses Muster als Mood Repair Theory. Sie besagt, dass unser Gehirn kurzfristige Stimmungsverbesserung über langfristige Ziele stellt. Das bedeutet: Wenn etwas sich im Moment unangenehm anfühlt, dann lenkt sich dein Gehirn lieber ab, als sich dem Gefühl zu stellen.

➡️ Und genau hier kommt Prokrastination ins Spiel.

Statt die Aufgabe zu erledigen, greifst du zum Handy, scrollst durch Social Media oder räumst dein Zimmer auf. Für einen kurzen Moment fühlst du dich besser – der Stress ist weg. Dein Gehirn belohnt dich für das Vermeiden der negativen Emotionen. Doch die Aufgabe bleibt. Und mit jeder Verzögerung wächst der Druck.

🔁 Das Ergebnis? Ein selbstverstärkender Kreislauf. Je größer der Stress, desto stärker das Bedürfnis, sich abzulenken. Und je öfter du dich ablenkst, desto schwieriger wird es, überhaupt anzufangen.

Dr. Fuschia Sirois beschreibt das so:
👉 „Prokrastination ist ein irrationaler Zyklus. Man weiß, dass Aufschieben negative Folgen hat – und tut es trotzdem.“

💡 Das Problem ist also nicht dein Zeitmanagement – sondern wie dein Gehirn mit Stress umgeht. Sobald du verstehst, dass Prokrastination eigentlich ein Bewältigungsmechanismus ist, kannst du lernen, ihn bewusst zu durchbrechen.

Prokrastination ist kurzfristige Stimmungsregulierung auf Kosten der Zukunft!

Schuld an Prokrastination ist die Evolution

Das liegt an der Art, wie unser Gehirn funktioniert. Langfristige Aufgaben standen evolutionär einfach nicht auf der Agenda. Unsere Gehirnstrukturen haben sich in einer Zeit entwickelt, in der das Überleben im Hier und Jetzt oberste Priorität hatte. Unser Gehirn wurde nicht dafür gemacht, langfristige Ziele zu verfolgen – sondern für Sofortreaktionen auf unmittelbare Bedrohungen.

Langfristige Planung? Zukunftsdenken? Das sind für unser Gehirn abstrakte Konzepte. Unser Gehirn bevorzugt das, was sich jetzt besser anfühlt – selbst wenn es uns später schadet. Es will sofortigen Stress vermeiden, auch wenn wir dafür später bezahlen müssen.

💡 Und genau hier liegt das Problem.

Unser Gehirn unterscheidet nicht zwischen einer echten Gefahr – wie einem wilden Tier in der Steinzeit – und der Unsicherheit einer Aufgabe, die wir nicht sofort lösen können. Beides löst Stress aus. Und Stress führt dazu, dass unser Gehirn reflexartig reagiert.

Dein Gehirn im Stressmodus: Warum du plötzlich alles tust – außer das, was du tun solltest

Denk einmal an eine Situation, in der du eine Aufgabe vor dir hattest, die sich einfach riesig angefühlt hat. Eine Hausarbeit, eine wichtige E-Mail, eine schwierige Entscheidung.
Vielleicht wusstest du nicht, wo du anfangen sollst – und plötzlich kam das dringende Bedürfnis, aufzuräumen, Instagram zu checken oder einfach nichts zu tun.

Kennst du das?

💬 „Wenn ich jetzt erstmal in Ruhe einen Kaffee trinke, geht’s mir mental besser – dann kann ich die Aufgabe angehen.“
💬 „Wenn ich jetzt erstmal aufräume, habe ich den Kopf frei – dann klappt das Arbeiten viel besser.“

Wenn es ums Prokrastinieren geht, werden wir Meister darin, uns selbst zu überzeugen, dass unser Verhalten sinnvoll ist. Doch in Wahrheit ist es eine Stressreaktion.

Was passiert wirklich in deinem Gehirn?

🔬 Deine Amygdala, vereinfacht das Stresszentrum deines Gehirns, erkennt Unsicherheit oder Angst als „Gefahr“.
Selbst wenn diese „Gefahr“ nur in einer Aufgabe steckt, die du erledigen müsstest.

Und was macht dein Gehirn in einer Stresssituation? Es entscheidet blitzschnell zwischen drei Reaktionsmustern:

  • Fight – Du kämpfst gegen dich selbst:
    „Ich MUSS das jetzt tun!“ → Dein Druck steigt, du setzt dich unter Zwang, aber es fühlt sich schwer an.

  • Flight – Du lenkst dich ab:
    Plötzlich ist dein Zimmer aufgeräumt, du hast 30 Minuten durch Social Media gescrollt oder den Geschirrspüler ausgeräumt – aber die Aufgabe liegt immer noch da.

  • Freeze – Du bist blockiert:
    Du starrst auf deine To-Do-Liste, unfähig, anzufangen. Dein Kopf ist leer, du fühlst dich festgefroren.

💡 Das Problem?
Diese Reaktion passiert völlig unterbewusst. Dein Gehirn bewertet die Situation in Sekunden und entscheidet, ob sie gefährlich ist. Warum deine Amygdala eine simple Aufgabe als Bedrohung einstuft, hängt mit deinen bisherigen Erfahrungen zusammen. Im Detail gehe ich auf diese Reaktion in dieser Podcastfolge ein. Wir halten hier fest: dein Gehirn will dich vor Stress schützen – aber eigentlich sabotiert es dich.

Es sind erlernte Reaktionen – Muster, die sich durch Wiederholung gefestigt haben.

Doch hier kommt die gute Nachricht: Du kannst diese Muster durchbrechen!

Self-Handicapping – Warum du dir selbst Hürden in den Weg legst

Neben der Stressreaktion deines Gehirns gibt es noch weitere Schutzstrategien, die das Aufschieben nicht nur erklären, sondern sogar verstärken. Eine davon ist das Self-Handicapping.

💡 Self-Handicapping bedeutet, dass du dir selbst ein Handicap schaffst – eine „Entschuldigung“, warum du nicht dein Bestes geben konntest.

Im Falle von prokrastination:  „Ich hatte nicht genug Zeit.“
Wenn du aufschiebst und dein Ergebnis am Ende nicht optimal ist, kannst du dir selbst die Geschichte erzählen:

👉 „Das liegt nur daran, dass ich zu wenig Zeit hatte – hätte früher angefangen und mehr Zeit gehabt, wäre das Ergebnis besser geworden.“

Klingt harmlos, oder? Aber in Wahrheit ist das ein cleverer Selbstschutzmechanismus deines Gehirns. Denn wenn du nun kein optimales Ergebnis hast, dann liegt es nicht an dir oder deinen Fähigkeiten – sondern an den Umständen.

Und genau das schützt dein Selbstbild.

Denn was wäre die Alternative?

👉 Du hättest frühzeitig angefangen, dein Bestes gegeben – und am Ende wäre das Ergebnis womöglich trotzdem nicht perfekt gewesen.

Und genau das fühlt sich für unser Gehirn noch unangenehmer an als der Zeitmangel. Denn in diesem Fall müssten wir uns vielleicht eingestehen, dass wir noch nicht gut genug vorbereitet waren, dass wir Fehler gemacht haben oder dass wir unsere Erwartungen nicht erfüllt haben.

Kurz gesagt: Es ist angenehmer, sich die Ausrede „Ich hatte keine Zeit“ zu erlauben, als das Risiko einzugehen, wirklich zu scheitern.

💡 Das ist kein Zufall – sondern eine Schutzstrategie deines Gehirns.
Doch der Preis ist hoch: Du sabotierst dich selbst.

Dein gegenwärtiges Ich gewinnt gegen dein zukünftiges Ich

Auch hier wäre es langfristig für dich viel besser, jetzt ins Handeln zu kommen.
Vielleicht würdest du Fehler machen – aber daraus lernen. Vielleicht wäre dein Ergebnis nicht perfekt – aber du wärst einen großen Schritt weiter.

Doch unser Gehirn strebt nach der direkten Belohnung und nicht nach der langfristigen.

Dr. Hal Hershfield von der UCLA erklärt:
👉 „Unser Gehirn betrachtet unser zukünftiges Ich wie eine fremde Person – deshalb fällt es uns so schwer, langfristig zu denken.“

Wenn wir prokrastinieren, verlagern wir das Problem auf unser zukünftiges Ich. Wir schaffen es dadurch uns von unserer Herausforderung und den Problemem und Konsequenzen mental zu trennen. Aber wenn der Moment kommt, ist dieses „zukünftige Ich“ – Überraschung – immer noch du.

Und dann stehst du da – mit dem gleichen Stress, der gleichen Panik, der gleichen Last auf den Schultern.

Wie du dein zukünftiges Ich mit ins Boot holst

Ein erster Schritt ist es, diese unbewussten Prozesse zu verstehen und zu erkennen, dass dein Gehirn dich nicht sabotieren will – sondern dich schützen möchte.

Und dann, dann brauchst du eine richtig gute Belohnung für das zukunftsorientierte Handeln. Denn wenn du dein Verhalten wirklich verändern willst, brauchst du eine bessere Belohnung als das kurzfristige Aufschieben.

Der Psychiater und Neurowissenschaftler Dr. Judson Brewer erklärt dazu:
👉 „Unser Gehirn sucht immer nach der besseren Belohnung. Wenn wir keine bessere Alternative haben, bleibt unser Prokrastinationsmuster bestehen.“

Deshalb brauchen wir eine „Bigger Better Offer“ (BBO) – also eine bessere Alternative zur Prokrastination.

Fazit: Wie kannst du diesen Kreislauf durchbrechen?

Jetzt weißt du, warum du prokrastinierst – und dass es nichts mit Faulheit oder mangelnder Disziplin zu tun hat.
Es ist eine unbewusste Strategie deines Gehirns, um kurzfristig unangenehme Emotionen zu vermeiden.

Doch wenn du aus diesem Muster ausbrechen willst, musst du dort ansetzen, wo das Problem beginnt – bei deiner Emotionsregulation.

Du kannst nur ändern, was du verstehst.
Prokrastination ist nicht dein Feind – sie ist ein Zeichen dafür, dass etwas in dir blockiert.
Deshalb helfen keine „To-Do-Listen“ oder „bessere Planung“, wenn du nicht die emotionale Ursache löst.

👉 Timothy Pychyl bringt es auf den Punkt:
„Wir essen Kalorien, die wir uns nicht leisten können, und geben Geld aus, das wir nicht haben. Prokrastination ist das Verschwenden von Zeit, die wir uns nicht leisten können.“

Prokrastination fühlt sich im Moment gut an – aber sie kostet dich langfristig mehr, als du dir leisten kannst.
Denn obwohl wir wissen, dass Aufschieben uns schadet, bleibt es trotzdem verlockend.

Dein jetziges Ich profitiert – aber dein zukünftiges Ich zahlt den Preis.

💡 Doch es gibt einen Ausweg!

Nebendem Verständnis und einem nachsichtigen Umgang mit dir, gibt es konkrete Techniken, die du in deinen Alltag etablieren solltest. Über diese spreche ich in der nächsten Podcastfolge und auch hier auf dem Blog.

Möchtest du noch tiefer gehen und Unterstützung bei der Umsetzung haben, dann ist meine 6-Wochen-Challenge „Selbstregulation statt Selbstsabotage“ genau das richtige für dich. Wir trainieren dein Gehirn darauf, neue, nachhaltige Strategien zu entwickeln – statt immer wieder in die gleiche Falle zu tappen.

🔗  Mehr Infos findest du hier:
👉 www.kathimoldan.de/challenge

 

Denk dran: Du bist nicht faul. Dein Gehirn braucht nur eine bessere Strategie.

Ich glaub an dich, du kannst das! 💛

Kennst du schon meinen Podcast „Study & Grow“?

Hier spreche ich jeden Dienstag über ein studienrelevantes Thema. Egal ob Lerntechniken, Tipps für dein Zeitmanagment, oder etwas für ein starkes Mindset und Selbstvertrauen – hier geht es darum, dich dabei zu unterstützen mit mehr Leichtigkeit durchs Studium zu gehen. Erfahre mehr

Podcast Study and Grow Kathi Moldan
Kathi Moldan Coach fuer Studenten und Schülerinnen und Schüler

Hey, ich bin Kathi!

Ich unterstütze Studierende & SchülerInnen dabei, nicht nur produktiver zu lernen, sondern dies vor allem mit mehr Gelassenheit und Zuversicht zu tun.

Erfahre, wie du durch ein gesundes Selbstvertrauen und einen gesunden Lebensstil ein glückliches (Studien-)Leben führen kannst!

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