Fühlst du dich oft so, als wäre das, was du tust, einfach nie genug? Verbringst du Stunden damit, Aufgaben zu perfektionieren, weil du Angst hast, einen Fehler zu machen? Oder schiebst du Projekte ewig vor dir her, weil der Gedanke, nicht das perfekte Ergebnis zu liefern, dich blockiert?
Perfektionismus ist ein weit verbreitetes Phänomen unter Studierenden. Er zeigt sich nicht nur in der Angst vor schlechten Noten, sondern auch im ständigen Drang, alles bis ins kleinste Detail zu optimieren. Was zunächst wie ein Zeichen von Ehrgeiz wirkt, kann schnell zu Stress, Selbstzweifeln und sogar Prokrastination führen.
In diesem Artikel erkläre ich, warum Perfektionismus dich im Studium eher bremst als voranbringt. Ich beleuchte die typischen Anzeichen und die psychologischen Ursachen, um dir zu helfen, Perfektionismus bei dir selbst zu erkennen. Dabei geht es darum, Verständnis für dich selbst zu entwickeln und zu verstehen, wie diese Muster entstanden sind – als ersten Schritt, um aus diesem Kreislauf auszubrechen.
Überblick
Zwischen Motivation und Selbstsabotage: Was Perfektionismus wirklich bedeutet
Ich kann mich noch gut erinnern, wie das damals bei mir im Studium war. Ich dachte immer: „Je gründlicher ich vorbereitet bin, desto besser werde ich sein.“
Ich fand das gut, so ehrgeizig zu sein. Und genau das ist das Fatale – beziehungsweise Paradoxe – am Perfektionismus.
Ich glaube, viele kennen dieses Gefühl. Man merkt oft gar nicht, dass man sich selbst sabotiert. Man denkt: „Ich bin halt einfach gründlich.“ Oder: „Ich will es halt richtig machen.“ Aber in Wahrheit steckt dahinter oft eine ganz andere Angst: „Ich darf keine Fehler machen, sonst bin ich nicht gut genug.“
Ich erinnere mich an so viele Situationen im Studium, in denen ich genau das erlebt habe. Zum Beispiel bei Hausarbeiten – ich hätte längst anfangen können zu schreiben, aber ich hatte Angst, etwas übersehen zu haben, also suchte ich noch mehr Literatur und noch mehr Literatur. Ich hätte längst abgeben können, aber irgendwas hat sich nicht „fertig“ angefühlt. Also habe ich weiter überarbeitet und weiter überarbeitet, statt einfach mal einen Schlussstrich zu ziehen.
Oder beim Lernen für Prüfungen. Ich habe mich nicht einfach an die Lernziele und Altklausuren gehalten, sondern dachte: „Was, wenn diesmal etwas ganz anderes drankommt?“ Also habe ich ALLES gelernt. Jeden einzelnen Punkt aus den Büchern. Falls doch noch irgendein exotisches Thema gefragt wird.
Perfektionismus bedeutet eben nicht nur, ehrgeizig zu sein. Die entscheidende Frage ist: Welches Motiv steckt dahinter?
Perfektionismus ist mehr als nur das Streben nach hohen Standards. Er ist ein innerer Druck, begleitet von der Angst vor Fehlern, Versagen und Ablehnung. Während gesunder Ehrgeiz dich motivieren kann, deine Ziele zu erreichen, führt destruktiver Perfektionismus oft zu Stress, Selbstzweifeln und Erschöpfung. Es führt dazu, sich Standards zu setzen, die eben keine normalen Standards sind – und das, ohne es zu merken.
Gesunder Ehrgeiz vs. zerstörerischer Perfektionismus
Gesunder Ehrgeiz bedeutet, dass du motiviert bist, deine Ziele zu erreichen. Er bringt dich ins Handeln, treibt dich an und sorgt dafür, dass du deine Energie sinnvoll einsetzt.
Ein Beispiel aus dem Studium: Du willst dich gut auf eine Prüfung vorbereiten. Also erstellst du einen Lernplan, konzentrierst dich auf die wichtigsten Themen und arbeitest Schritt für Schritt deine Ziele ab. Dabei akzeptierst du, dass du nicht jedes Detail perfekt beherrschen musst, um erfolgreich zu sein. Das Ziel ist es, effizient zu lernen und Fortschritte zu machen.
Perfektionismus hingegen fühlt sich oft an wie eine clevere Strategie, ist aber in Wirklichkeit eine Falle. Er führt dazu, dass du dich in Details verlierst, ständig an dir selbst zweifelst und dich nicht traust, Fehler zu machen.
Ein typisches Beispiel aus dem Studium: Du denkst, du musst ALLES wissen, bevor du überhaupt anfängst zu lernen. Du verbringst unendlich viel Zeit damit, die perfekte Zusammenfassung zu erstellen, anstatt dich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Der Druck, nichts übersehen zu dürfen, blockiert dich und nimmt dir die Leichtigkeit beim Lernen.
Das Problem: Perfektionismus macht dich starr. Er lässt dich zweifeln und hält dich zurück. Während gesunder Ehrgeiz dich ins Tun bringt, sorgt Perfektionismus dafür, dass du dich im Kreis drehst. Du hast das Gefühl, immer mehr machen zu müssen, ohne jemals wirklich fertig zu werden.
Die Schattenseiten von Perfektionismus im Überblick:
Er hält dich zurück: Statt Projekte abzuschließen, bleibst du in endlosen Überarbeitungszyklen stecken.
Er lähmt dich: Die Angst, nicht perfekt zu sein, führt dazu, dass du Dinge gar nicht erst beginnst.
Er raubt dir Energie: Der ständige innere Druck verursacht Stress, Erschöpfung und sogar Schlafprobleme.
Er belastet deine mentale Gesundheit: Perfektionismus erhöht das Risiko für Angststörungen, Depressionen und Burnout.
Brené Brown hat dies treffend zum Ausdruck gebracht:
„Perfektionismus führt oft zu ‚Lebenslähmung‘, weil man nichts riskiert.“
Fragst du dich noch: „Bin ich wirklich perfektionistisch, oder ist das nicht doch nur Disziplin?“ Dann habe ich hier eine Übersicht zu den typischsten Anzeichen von Perfektionismus.
Die häufigsten Anzeichen für Perfektionismus
🔸 Extrem hohe Erwartungen an dich selbst. Gut reicht nicht – es muss perfekt sein.
🔸 Angst, Fehler zu machen. Ständiger Druck, keine Fehler zu machen. Selbst winzige Unstimmigkeiten fühlen sich an wie große Probleme. Ein kleiner Fehler reicht aus, um sich inkompetent zu fühlen.
🔸 Selbstzweifel, auch wenn du eigentlich gut bist. Du hast trotzdem das Gefühl, nicht genug zu können.
🔸 Angst vor Kritik oder Ablehnung.
🔸 Prokrastination oder exzessives Überarbeiten. Entweder du fängst gar nicht erst an – oder du arbeitest dich tot.
🔸 Schwarz-Weiß-Denken. Wenn es nicht perfekt ist, ist es schlecht.
🔸 Immer übervorbereitet sein oder ständig einen Plan haben. Kontrolle ist das oberste Ziel – man will auf alles vorbereitet sein, um bloß keine Überraschungen zu erleben.
Klingt das vertraut? Dann könnte Perfektionismus dich mehr beeinflussen, als du denkst. Und lass mich hier einmal ganz klar werden:
Warum ist es so wichtig, Perfektionismus zu erkennen?
Weil Perfektionismus nicht bedeutet, dass du besser wirst.
Er bedeutet, dass du dich selbst unter Druck setzt – und dich damit oft schlechter machst.
Weil Perfektionismus dir das Gefühl gibt, nie genug zu sein.
Egal, was du tust – es reicht nie.
Weil Perfektionismus dich davon abhält, einfach mal ins Tun zu kommen.
Immer diese Stimme im Kopf: „Noch nicht. Ich bin noch nicht so weit.“
Deshalb ist der erste Schritt: Verstehen, warum man das tut.
Und dann: Mehr Mitgefühl für sich selbst entwickeln.
Denn nur so kann man wirklich anfangen, etwas zu verändern.
Warum streben Menschen nach Perfektion?
Wenn wir über Perfektionismus sprechen, dann klingt das oft so, als wäre das einfach eine Charaktereigenschaft. Aber das stimmt nicht.
Perfektionismus ist nicht einfach etwas, das man hat oder nicht hat. Er ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels aus Erfahrungen, Prägungen und individuellen Überzeugungen.
Und das bedeutet auch: Perfektionismus entwickelt sich bei jedem ein bisschen anders.
Denn jeder von uns hat seinen eigenen Weg hinter sich. Jeder hat seine ganz persönlichen Erfahrungen gemacht – in der Familie, in der Schule, mit Freund:innen, mit Lehrkräften oder Vorgesetzten.
Mein Ziel heute ist nicht, eine einfache Antwort zu geben. Sondern ein Grundverständnis dafür aufzubauen, woher Perfektionismus grundsätzlich kommen kann – und warum er sich so tief in uns verankern kann.
Ursachen von Perfektionismus – Die Glaubenssätze dahinter
Wir wissen also: Perfektionismus ist nicht angeboren – er ist erlernt. Und das ist gut, denn: Was wir lernen, können wir auch wieder verändern. Doch was genau lernen wir?
Oft sind es tief verwurzelte Glaubenssätze – Überzeugungen über uns selbst und unseren Wert.
Diese Überzeugungen entwickeln wir häufig schon in der Kindheit – durch unsere Familie, die Schule oder durch soziale Vergleiche. Das Problem daran? Sie fühlen sich für uns absolut wahr an.
Genau das macht es so schwer, Perfektionismus loszulassen: Weil es sich nicht wie ein erlerntes Muster anfühlt, sondern wie eine unumstößliche Wahrheit.
Damit das nicht so abstrakt bleibt, schauen wir uns das an konkreten Glaubenssätzen an, besonders häufig hinter Perfektionismus stecken.
Häufige Glaubenssätze hinter Perfektionismus:
„Ich muss beweisen, dass ich wertvoll bin.“
Wie entsteht dieser Glaubenssatz? Vielleicht hast du gelernt, dass Anerkennung an Leistung gekoppelt ist. Lob gab es vor allem, wenn du etwas erreicht hast – nicht einfach nur für dein Sein.
Beispiel: Anna war in der Schule immer Klassenbeste. Ihre Eltern lobten sie nur, wenn sie Bestnoten nach Hause brachte. Heute glaubt Anna, dass sie nur dann wertvoll ist, wenn sie beruflich außergewöhnliche Erfolge erzielt.
Folgen: Gut ist nicht gut genug, denn du musst die oder der Beste sein. Sonst fühlt sich deine Leistung wie ein Beweis an, nicht wertvoll zu sein. Vielleicht stellt sich dir sogar die Frage „Für was braucht man mich sonst?“
„Ich darf keine Fehler machen, sonst werde ich kritisiert oder abgelehnt.“
Wie entsteht dieser Glaubenssatz? Vielleicht wurdest du in der Kindheit für Fehler kritisiert oder hast gelernt, dass nur perfekte Leistungen Anerkennung bringen.
Beispiel: Tom wuchs in einem Umfeld auf, in dem Misserfolge sofort kritisch kommentiert wurden. Ein versehentlich umgeschmissenes Glas und er musste alleine in sein Zimmer. Oder ein kleiner Fehler bei den Hausaufgaben und es kam zu langen Diskussionen. Heute kontrolliert er E-Mails mehrmals, bevor er sie abschickt, aus Angst vor negativen Reaktionen.
Folgen: Du überarbeitest Aufgaben endlos oder fängst gar nicht erst an, aus Angst zu scheitern.
„Wenn ich nicht perfekt bin, werde ich nicht ernst genommen.“
Wie entsteht dieser Glaubenssatz? Möglicherweise hast du das Gefühl entwickelt, dich beweisen zu müssen, um gehört zu werden.
Beispiel: Sarah hatte immer das Gefühl, in Diskussionen nicht ernst genommen zu werden, es sei denn, sie konnte mit perfekten Argumenten glänzen. Aussagen wie „Das verstehst du doch eh nicht, das ist was für Erwachsene“ hörte sie ständig. Das führte dazu, dass sie heute oft zögert, ihre Meinung zu äußern, wenn sie sich nicht 100 % sicher ist.
Folgen: Du setzt dich massiv unter Druck, immer perfekt zu sein, um Anerkennung zu erhalten. Häufig fühlst du dich noch wie ein kleines Kind.
„Wenn ich perfekt bin, kann mir nichts passieren.“
Wie entsteht dieser Glaubenssatz? Perfektionismus wird als Schutzmechanismus genutzt, um negative Erfahrungen zu vermeiden.
Beispiel: Jonas erlebte in der Schulzeit, wie Mitschüler ausgelacht wurden, wenn sie Fehler machten. Er beschloss, immer perfekt vorbereitet zu sein, um nie in eine ähnliche Situation zu geraten. Heute plant er jede Präsentation bis ins kleinste Detail, um sich sicher zu fühlen.
Folgen: Du strebst nach Perfektion, um dich sicher zu fühlen, doch es führt zu ständiger Angst vor Fehlern oder gar Ausgrenzung.
„Wenn ich perfekt bin, dann bin ich endlich zufrieden mit mir.“
Wie entsteht dieser Glaubenssatz? Vielleicht hast du das Gefühl, nie genug zu sein, und suchst Selbstwert in äußeren Erfolgen.
Beispiel: Laura dachte immer, sie würde sich endlich wohl in ihrer Haut fühlen, wenn sie ihr Traumgewicht erreicht. Ständig wurden ihr im TV oder in Zeitschriften vermeintlich glückliche Frauen mit diesem Erscheinungsbild präsentiert. Doch selbst nach diesem „Erfolg“ suchte sie sofort nach neuen Optimierungszielen. Die erhoffte Zufriedenheit blieb aus.
Folgen: Du jagst unerreichbaren Idealen nach, doch nachdem auch das keine echte Zufriedenheit bringt, suchst du das nächste und das nächste Ideal..
Was bedeutet das nun für dich und deinen Perfektionismus?
Natürlich sind diese Beispiele jetzt sehr vereinfacht dargestellt, und es ist auch selten DIE EINE Sache, die den Ursprung bildet. Wie gesagt, es ist ein komplexes Zusammenspiel. Und auch die Frage, wer trägt Schuld, bringt dich persönlcih nicht weiter.
Mein Anliegen ist viel mehr, dass du Verständnis für dich entwickelst. Dass du erkennst: Damals warst du ein Kind, damals musstest du das so glauben, weil du es nicht besser wusstest. Doch heute kannst du dich neu entscheiden. Heute bist du schlauer, reifer, weiter.
Heute kannst du erkennen, dass es eine Interpretation ist und nicht die Wahrheit – und dass du diese für dich neu definieren kannst. Heute kannst du die Verantwortung für dich neu übernehmen. Und heute entscheiden: Ich nehme diesen Perfektionismus und diese Selbstsabotage nicht länger hin.
Fazit: Hinter jedem Perfektionismus steckt eine Geschichte – und du kannst sie neu schreiben
Kein Mensch wird als Perfektionist:in geboren. Diese Muster sind etwas, das wir im Laufe unseres Lebens gelernt haben.
Aber die gute Nachricht ist: Was du gelernt hast, kannst du auch wieder verlernen.
💡 Glaubenssätze kannst du verändern.
💡 Du kannst lernen, dass du auch ohne Perfektion wertvoll bist.
💡 Du kannst dich aus diesem Kreislauf befreien.
Perfektionismus zu erkennen, ist der erste Schritt, um aus diesem Muster auszubrechen. Es geht nicht darum, von heute auf morgen perfekt unperfekt zu sein. Vielmehr geht es darum, dir selbst mit mehr Mitgefühl zu begegnen und zu verstehen, warum du bist, wie du bist.
Denn genau dort beginnt der Weg zu mehr Leichtigkeit und Gelassenheit im Studium. Du hast die Möglichkeit, deine eigenen Glaubenssätze zu hinterfragen, neue Denkmuster zu entwickeln und dich von der Last des Perfektionismus zu befreien.
Du bist mehr als deine Leistung. Du bist wertvoll – genau so, wie du bist.
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